Oder warum Bouldern süchtig macht!
„Bouldern ist freies Klettern in Absprunghöhe“ – diese Definition des Boulderns ist oft zu lesen und sicherlich korrekt. Was das Faszinierende am Bouldern ist, sagt die Definition leider nicht und sie würden mich auch nicht auf den Sport neugierig machen. Deshalb möchte ich hier gerne versuchen, Bouldern mit meinen eigenen Worten zu beschreiben.
Bouldern = Bewegungsrätsel an der Wand lösen
Eine Umschreibung, die ich immer wieder höre und die für mich am ehesten als Definition zutrifft ist, dass man beim Bouldern Bewegungsrätsel an der Wand löst.
Es gibt im Bouldersport ganz einfache Routen, die Beginnern einen ersten Eindruck von den möglichen Bewegungen geben. Diese einfachen Routen werden gerne als Leitern bezeichnet. Sie führen oft an einer Wand ohne Neigung straight von unten nach oben und haben eine Menge Griffe und Tritte. Jeder, der in der Lage ist eine Leiter zu benutzen, kann diesen Routentyp problemlos klettern.
Interessant wird das Bouldern, wenn plötzlich keine Griffe oder Tritte mehr in deiner Arm- oder Beinlänge zu finden sind… wenn es nicht einfach von unten nach oben geht, sondern von oben nach unten oder seitwärts… wenn man in einem Überhang klettert und das ganze Körpergewicht einen nach unten zieht… wenn du in einer Route bist, ohne Griffe für die Hände, nur mit kleinen Tritten, die deine Balance herausfordern… wenn es nur Griffe für die Hände gibt, aber keine für die Füße… oder wenn du auf eine Route triffst, bei der es schon unmöglich erscheint, die Startposition einzunehmen.
In diesen Fällen stehst du tatsächlich vor einem Rätsel, das es mit deinem Körper zu lösen gilt: Mit Kraft, mit Körperspannung, mit Koordination, mit Dynamik, mit Balance, mit Klettertechnik, mit dem richtigen Mindset und mit Geduld. Das ist der Grund, warum man Boulderrouten auch Boulder-„Probleme“ nennt und warum das Erarbeiten eines solchen „Problems“ durch einen Boulderer „Projektieren“ heißt. Genau hier fängt der Spaß an!
Du wirst beim Bouldern deinen ganzen Körper trainieren und schon nach wenigen Sessions erste Probleme lösen, die du vorher für nicht machbar gehalten hast. Das ist das, was viele Boulderer antreibt. Es ist fast wie ein Spiel, bei dem du das nächste Level erreichen willst.
Also Vorsicht: Bouldern macht tatsächlich ein wenig süchtig.
Der Unterschied zwischen Klettern und Bouldern
Mit „Klettern“ ist das Seilklettern gemeint, bei dem man gut abgesichert viele Klettermeter macht. Ein Boulderer klettert ohne Sicherung an meist bis zu vier Meter hohen Wänden. Sollte man abfallen, landet man auf einer dicken Matte oder auf einem so genannten „Crashpad“.
Das Bouldern hat sich aus dem (Seil-)Klettersport nach und nach zu einer eigenen Disziplin entwickelt, in der es vor allem darum geht, komplexe Kletterprobleme zu lösen und neue Bewegungsabläufe an der Wand zu erproben. Während das Bouldern anfangs „nur“ eine weitere Outdoor-Trainingsmöglichkeit für Kletterer war, hat sich der Sport inzwischen auch abseits vom Fels in den Boulderhallen enorm weiterentwickelt. Es werden mit Plastikgriffen Probleme an die Wand geschraubt und Bewegungen abgefordert, wie sie in der Natur eher nicht zu finden sind. Das wird von „old school“-Kletterern mitunter kritisch gesehen. Doch eine neue, junge Generation von Kletterern und Boulderern wächst in den Hallen auf und hat eine Menge Spaß daran. Einige von ihnen entdecken natürlich über das „Plastikbouldern“ auch das Klettern in der Natur. Wer wie ich in der Halle anfängt und dann zum ersten Mal draußen am Fels bouldert, wird garantiert schnell Respekt bekommen vor den „old school“-Kollegen, die mit ganz anderen Skills unterwegs sind.
Warum bouldern statt klettern?
Man kann vielleicht sagen, dass die Einstiegshürde beim Bouldern etwas geringer ist als beim Klettern. Du brauchst keinen Klettergurt und kein Seil, um zu starten. Zieh dir ein Shirt und eine Hose an, in der du dich gut bewegen kannst. Leih dir in der Kletterhalle ein paar Kletterschuhe aus, mach dich warm und steig deine erste Boulderleiter hoch. Das Prinzip erklärt sich gerade bei den Einsteigerrouten wie gesagt von selbst. Wenn du merkst, dass es dir gefällt und du erste Fragen hast, wird dir sicher ein anderer Boulderer in der Halle helfen – oder du schaust mal, ob in der Halle Kurse angeboten werden.
Ich persönlich bin bis jetzt beim Bouldern geblieben, weil ich die komplexen Bewegungen und die Herausforderung für Körper und Geist einfach genial finde. Wenn man ein schwieriges Problem geknackt hat und seinen ganz eigenen Weg in einer Route gefunden hat, dann ist das ein großartiges Gefühl! Außerdem ist das Bouldern für mich die perfekte Therapie gegen meine Verspannungen und die starken Kopfschmerzen und Migräneanfälle, die mich schon mein Leben lang begleiten.
Bei meinen Seilkletter-Versuchen hat mich bisher immer die Höhenangst gestoppt. Ab einer bestimmten Höhe wollte sich einfach kein Arm und kein Bein mehr bewegen. Wer weiß, vielleicht wage ich mich eines Tages noch da ran? Wir werden sehen. Bis dahin bleibt es dabei: Bin weg bouldern!