Und wie mir Bouldern und Meditation geholfen haben
Wer meinen Podcast BIN WEG BOULDERN verfolgt, der weiß sicher, dass am Anfang meines Weges als Podcasterin eine tiefe Krise stand. Im Mai 2017 hatte ich so schlimme Migräne-Attacken, wie noch nie in meinem Leben. Drei Monate lang hatte ich fast jeden Tag Schmerzen und extreme Angst, dass das nicht mehr aufhört. Nichts half mir und ich wusste nicht, was ich tun soll. Die Migräne begleitet mich seit ich denken kann, schon seit meiner frühesten Kindheit. Deshalb dachte ich, das ist halt so. Schmerzen gehören zu meinem Leben. Genauso wie Schmerzmittel, die ich all die Jahre abnorm viel zu mir genommen hatte. 2017 haben die Schmerztabletten nicht mehr geholfen. Erst durch diese wirklich schlimme Phase habe ich endlich gehandelt und gelernt, damit umzugehen.
Das Bouldern hat mir sehr geholfen, mich aus dem Tief heraus zu kämpfen und ich habe deshalb so eine wahnsinnige Begeisterung für diesen Sport. Ich habe beschlossen, dass ich der Boulderwelt etwas zurückgeben will – und dass ich durch die Arbeit am Podcast BIN WEG BOULDERN einfach mehr Bouldern in meinem Leben haben möchte.
Oft bekomme ich Nachrichten von Hörern, die sich in meiner Geschichte mit der Migräne wiederfinden. Sie stecken in einem ähnlichen Tief fest oder haben wie ich schon ihr Leben lang das Problem mit Migräne und Kopfschmerzen. Natürlich möchten sie gerne wissen, was ich getan habe. Das ist leider nicht so schnell in einem Instagram-Chat beantwortet. Deshalb habe ich beschlossen für alle, denen es so geht, diesen Blogbeitrag zu schreiben. Aber ich tue dies auch für mich, weil ich denke, dass es mir hilft, das alles zu reflektieren.
P.S.: Ich rede in diesem Beitrag von Spannungskopfschmerzen und Migräne. Das sind zwei unterschiedliche Dinge und unterschiedliche Prozesse, die im Körper ablaufen. Bei mir tritt beides auf: Spannungskopfschmerz und Migräne. Falls du dazu mehr wissen willst, kannst du dich hier belesen: www.migraene-klinik.de
Es ist nicht leicht, über die Schmerzen zu reden
Im Moment kann ich sagen, dass ich es “geschafft” habe. Dass die Migräne kaum noch mein Leben beeinträchtigt. Aber eben nur “kaum”. Jedes Mal, wenn ich zum Beispiel einen Menschen aus meiner Vergangenheit treffe, kommt die Frage auf: “Was machst du gerade und wie geht es dir im Moment?” Dann “muss” ich die Geschichte wieder neu erzählen und neu durchleben. Das geht mir jedes mal richtig nah und es kommen Ängste und tatsächlich auch Schmerzen wieder auf. Ganz objektiv betrachtet finde ich es faszinierend, dass wir nur durch das Erzählen und Erinnern solche Emotionen und tatsächlich auch Schmerzen wieder erleben. Aber eigentlich ist es natürlich echt schwer für mich darüber zu reden. Man kann sich fragen: Warum tust du es dann? Warum erzählst du immer wieder davon?
Das “Witzige” ist, dass viele Menschen mich mit dem Thema Kopfschmerz und Migräne assoziieren. Ich werde darauf angesprochen. “Ach, du warst doch diejenige, die damals auf der Party früher gegangen ist, weil sie diese schlimme Migräne-Attacke hatte, oder?” – “Ja, die bin ich. Aber so bin ich nicht mehr!” Schon redet man wieder drüber. Die Autovervollständigung in meinem Tablet lässt mich nicht das Wort “Kopf” schreiben, ohne mir vorzuschlagen, dass ich doch “Kopfschmerzen” schreiben könnte. P.S.: Nein, will ich nicht!!!
Mich triggern viele Dinge. Ich finde Werbung für Schmerztabletten schrecklich. Da ist immer ein Bild drauf von einer Frau mit schmerzverzerrtem Gesicht, die sich den Kopf hält. Das kann ich echt nicht sehen, weil es bei mir diese Erinnerungen auslöst! Letztens saß mir im Zug eine Frau gegenüber, die sich unglaublich über etwas aufgeregt hat. So sehr, dass sie Kopfschmerzen bekam. Da war sie nun und machte exakt dieses Schmerztabletten-Werbegesicht, direkt vor meinen Augen! Ich hätte sie am liebsten angeblafft, dass sie aufhören soll, sich über so belanglose Dinge aufzuregen, damit sie keine Schmerzen hat, damit ich sie nicht dabei beobachten muss, wie sie sich den Kopf festhält.
Das Thema “Aufregen” ist auch so eine Sache. Ich habe ein starkes Bedürfnis nach Gerechtigkeit. Es gibt Themen, die mich emotional so stark berühren, dass sie oft unweigerlich Schmerzen verursachen. Ich habe jetzt erst erkannt, dass Emotionen einer meiner Schlüssel sind, wenn es darum geht, schmerzfrei zu sein. Ich muss lernen anders mit ihnen umzugehen und das ist tatsächlich eine der schwierigsten Aufgaben.
Dazu kommt noch ein ziemlich unkontrollierbares Problem: Licht. Viele Migräniker haben, bevor der Schmerz los geht, eine “Aura”. Die zeigt sich oft in Form von nervösen Lichtblitzen, die sich langsam ins Sichtfeld schieben, bis man kaum noch etwas sehen kann. Diese Blitze fangen mit einem ganz kleinen Flackern an. Ein Flackern, als hätte man kurz in eine starke Lichtquelle geguckt. Jeder von uns weiß, dass das ständig passieren kann. Das heißt für mich – jedes Mal, wenn es passiert kommt die Angst hoch, dass es wieder soweit ist. Dann kommen die Fragen: Warum jetzt? Was habe ich nun schon wieder falsch gemacht? Was, wenn ich es doch noch nicht geschafft habe und die ganzen Schmerzen wieder von vorne los gehen?
Auch wenn ich es geschafft habe mein Leben so zu ändern, dass ich kaum noch unter der Migräne leide – es begleitet mich fast täglich. Es kommt in den unmöglichsten Momenten hoch. Ich stand letztens auf dem Gleis am Bahnhof und habe eine Gruppe Frauen beobachtet, die einfach nur glücklich waren und sich lachend unterhalten haben. In dem Moment dachte ich: Was, wenn ich gar nicht glücklich sein soll? Was, wenn das alles nur ein Irrtum war und der Schmerz zu meinem Leben gehört, so wie in all den Jahren zuvor? Ich kann es dir nicht mit Bestimmtheit sagen. Ich weiß nur – im Moment geht es mir so gut, wie noch nie zuvor und ich versuche mich zu erinnern, was ich dafür getan habe. Denn vielleicht kann das jemandem helfen, der ein ähnliches Problem hat.
Was passieren musste, damit ich endlich eine Therapie beginne
Ich bin mein Leben lang sehr ignorant gegenüber meinem Körper gewesen. Bis ins Jahr 2017 waren Kopfschmerzen und Migräne ein Teil meines Lebens, den ich einfach akzeptiert habe. Die Bewältigungsstrategie war: Tabletten schlucken. Sehr viele und sehr starke Schmerztabletten. Ich habe irgendwann schon die Apotheken gewechselt, weil mich Apotheker darauf angesprochen haben. Zur meiner Strategie gehörte es auch, vor meinen Mitmenschen zu verschweigen, wie es mir geht. Heimlich Tabletten zu nehmen. Ich bin ein Mensch, der sehr leistungsorientiert ist. Gute Leistung zu bringen ist schwer mit Schmerzen. Also nur keine Schwäche zeigen! Medikamente nehmen und weitermachen!
Die richtig schlimmen Migräne-Attacken kamen meist am Wochenende. Das kennt fast jeder Migräne-Patient. Sobald die Anspannung der Arbeitswoche sinkt, kommt der Schmerz. Herzlichen Glückwunsch! Da ackerst du die ganze Woche wie blöd und ignorierst deinen immerwährenden Spannungs-Kopfschmerz… als Dankeschön ist dein Wochenende versaut, weil du ne fette Migräne-Attacke hast. Das ist absurderweise sehr arbeitgeberfreundlich, denn man fällt selten im Job aus. Man ruiniert sich nur die Freizeit. Ich habe irgendwann die Denkweise entwickelt: Wenn die Attacken immer dann kommen, wenn ich frei habe – dann darf ich einfach nicht aufhören zu arbeiten! Einem Menschen wie mir, der sein Selbstwertgefühl immer von Leistung bzw. der Anerkennung für Leistung abhängig macht, kommt diese “Ausrede” sehr zugute!
Doch irgendwann hat das alles nicht mehr funktioniert. Das Ignorieren und die Heimlichkeiten. Im Sommer 2016 wollte mir mein Körper offenbar ein noch stärkeres Signal geben. Kurz bevor ich mit meinem Freund in den Urlaub fahren wollte, bekam ich eine Rachenentzündung und damit einhergehende Kopfschmerzen. Diese Symptome wollten einfach nicht abklingen, aber wir fuhren trotzdem los. Ich war bepackt mit einer halben Apotheke. Im Urlaub steigerten sich die Beschwerden und ich hatte die eigenartigste Form von Kopfschmerz meines Lebens. Ich kann bis heute nicht sagen, was das war und hatte das in der Form auch nie wieder. Ich konnte einfach nur im Hostel-Bett liegen und NICHTS tun. Jegliche Form der Aktivität löste Schmerzen und Schwindel aus. Es waren nicht die allerschlimmsten Schmerzen, aber es war, als ob mich eine starke Kraft die ganze Zeit runter drückt. Erst, als ich beschloss den Urlaub abzubrechen und nach Hause zu fahren, hörte dieser Zustand auf. Das fand ich extrem eigenartig. Ich habe geheult auf dem Weg nach Hause. Nicht nur mein Leben ist im Arsch – ich ziehe auch meinen Freund da mit rein, es war schließlich auch sein Urlaub. Ich habe ihm damals versprochen, dass ich endlich anfangen werde, mich untersuchen zu lassen, um herauszufinden, was eigentlich seit meiner Kindheit mit mir los ist.
Danach habe ich einen ersten Anlauf gemacht und bin zu einem Spezialisten gegangen. Der gab mir die Hausaufgabe, ein Schmerztagebuch zu führen. Das tue ich seitdem. Diesen Spezialisten habe ich allerdings nicht noch einmal besucht. … Warum? … Ich bin still und heimlich wieder in meine alten Muster verfallen. Tat so, als ginge es mir gut. Dieser Urlaub? Nur eine kurze Irritation, wir machen einfach weiter.
Das Ganze holte mich im Mai 2017 wieder ein. Ich plante wieder einen Urlaub mit meinem Freund – zum Bouldern nach Fontainebleau. Schon die Urlaubsvorbereitung war unendlich absurd. In meinem Unterbewusstsein wurden die Erinnerungen wach an den letzten, abgebrochenen Urlaub und an die Schmerzen, für die ich eigentlich keine Erklärung hatte. Tatsächlich ging alles wieder von vorne los. Ich bekam wieder kurz vorm Urlaub eine Rachenentzündung und dazu Kopfschmerzen. Ich rannte in die Drogerie und die Apotheke um Dinge zu kaufen, mit denen ich hoffte, den Urlaub zu überleben. Ein Jutebeutel voller Medikamente. Ich machte mich verrückt. Wenige Tage vorm Urlaubsbeginn fragte mich mein Freund: “Glaubst du, du schaffst es zu reisen?” Die Antwort war “Nein”.
Wir haben Flug und Ferienwohnung gecancelt und hatten natürlich keine Reise-Rücktrittsversicherung. Ich hatte unseren zweiten gemeinsamen Urlaub versaut und dafür gesorgt, dass wir ne Menge Geld in den Wind geschossen haben. Das war der Punkt, an dem ich wusste, dass ich es nicht weiter ignorieren darf. Zu der Zeit hatte ich die schlimmsten Migräne-Attacken, die ich je erlebt habe.
Die Schritte, die mir geholfen haben mit den Kopfschmerzen und der Migräne umzugehen
Ich hatte mein Leben lang eine Abneigung gegen Spruchpostkarten und Psychotherapeuten. Das sage ich genau so in der Reihenfolge – denn ich war allergisch gegen Ratschläge, was die Gestaltung meines Lebens angeht. Schon so kleine nette Lebensweisheiten auf Postkarten fand ich ätzend. Ich war immer gut in der Schule, gut im Studium, ich habe hart dafür gearbeitet den Job zu bekommen, den ich haben wollte – beim Radio. Warum sollte mir jemand erklären, dass etwas in meinem Leben nicht in Ordnung ist? Diese Aussagen: “Vielleicht haben Sie einfach zu viel Stress. Entspannen Sie sich doch einfach mal. Genießen Sie doch einfach mal den Moment.” – Sowas regte mich auf!
Ich habe mich immer über meine Arbeit definiert. Nichtstun passt nicht zu mir. Außerdem hatte ich ja die Erfahrung gemacht, dass Nichtstun schlecht ist, weil ich an Wochenenden so häufig Migräne-Attacken bekam.
Ich musste jetzt endlich etwas ändern. Eine Freundin hatte mir damals ihre Hausärztin empfohlen, weil diese Ärztin selbst Migränikerin ist. Zum ersten Mal saß ich vor einer Expertin, die aus eigener Erfahrung wusste, wie es mir geht. Ich habe zum ersten Mal Migräne-Medikamente, so genannte Triptane, verschrieben bekommen. Meine bisherigen Hausärzte wollten mir diese Medikamente nicht geben. Es hieß, dass es ja gar nicht erwiesen sei, dass ich eine echte Migräne hätte. Es könnten ja auch nur Spannungskopfschmerzen sein. Triptane richten bei Spannungskopfschmerzen nichts aus, sie helfen nur bei einer echten Migräne. Als ich der Ärztin meine Symptome schilderte, war ihr sofort klar, dass es Migräne ist – und spätestens als die Triptane bei mir halfen, war es umso deutlicher.
Ich nahm also endlich die richtigen Medikamente. Sehr starke Migräne-Medikamente, von denen man eigentlich nicht zu viele nehmen darf. Das Problem war: Ich brauchte sie fast jeden Tag, oft sogar mehrmals am Tag! Ich hatte damals die schlimmsten Migräne-Attacken meines Lebens. Sie dauerten bis zu drei Tage an. Dann ein Tag Pause – an dem hatte ich dann allerdings Spannungskopfschmerzen – die dann wieder abgelöst wurden von der nächsten Migräne-Attacke. Das ging drei Monate lang so.
Nach der allerschlimmsten Migräne-Nacht bekam ich zum ersten Mal in meinem Leben eine Panik-Attacke. Es war so beängstigend, was mit meinem Körper passierte. Ich dachte, dass ich meinen Körper kaputt gemacht habe und dass es das jetzt war mit mir. Ich konnte nicht arbeiten oder irgendetwas unternehmen, weil es ja jederzeit wieder losgehen könnte.
Meine Ärztin sagte mir, ich solle etwas Schönes machen, das mich entspannt. Ich ging in mein Lieblingscafe. Obwohl “gehen” das falsche Wort ist. Es war als müsste ich gegen eine unsichtbare Kraft anarbeiten, um mich fortzubewegen. Dann saß ich endlich im Cafe vor einem Kuchen und wusste nicht, wie ich den Kuchen essen soll. Dieser nette Typ aus dem Cafe fragte mich, ob alles in Ordnung wäre mit dem Kuchen. Auch reden und lächeln war super anstrengend. Ich versuchte zu lächeln und zu sagen, dass alles gut sei. Ich litt unter Angstzuständen und hatte Anzeichen von einer Depression. Deshalb kamen zu den Triptanen auch noch Antidepressiva.
Nun nahm ich jede Menge Medikamente, war krank geschrieben und verbrachte die Tage sitzend auf meinem Bett oder dem Sofa. Ich wartete darauf, dass das alles endlich vorbei ist. Ich ging immer wieder zu der Ärztin und musste ihr sagen, dass die Attacken nicht aufhören. Sie schickte mich weiter zu einem Experten für Schmerztherapie. Der hat mir sofort einen Kurs in Progressiver Muskelrelaxation verschrieben. Das ist eine Entspannungstherapie, im Prinzip eine Form der Meditation. Seitdem meditiere ich.
Wie mir Meditation hilft
Das Thema Meditation finde ich wahnsinnig faszinierend. Es ist eine Technik, die einfach jeder lernen kann und man braucht nichts dazu. Du musst nichts kaufen, das dich entspannt, kein Wellness-Bad, keine Entspannungs CD, gar nichts. Für die Meditation brauchst du nur dich selbst. Ich habe gelernt, wie ich es schaffe meinen Körper runterzufahren – denn das hatte ich in meinem Leben, mit meinem Drang zu Leistung und Perfektionismus, schlicht verlernt. Mein Körper konnte sich nicht entspannen.
In dem Kurs für Progressive Muskelrelaxation (PMR) habe ich gelernt, dass es wichtig ist regelmäßig zu üben, wenigstens 4 Mal die Woche. Du musst deinem Körper beibringen zu entspannen und lernen wahrzunehmen, was er dir sagen will. Ich kann inzwischen viel besser die Anzeichen in meinem Körper spüren, die zeigen, dass es mir nicht gut geht. Ich merke also schon bevor es wieder richtig schlimm wird, dass ich handeln muss. Außerdem schaffe ich es inzwischen immer wieder auch in hektischen, stressigen Situationen mit Meditation meinen Körper runterzukurbeln. Es fühlt sich für mich an, wie eine Superheldenkraft. Nur mit meinen Gedanken schaffe ich das! Wow!
Inzwischen habe ich viel Spaß dabei andere Formen der Meditation auszuprobieren. Es gibt zum Beispiel Apps mit geführten Meditationen – da lasse ich mich gerne inspirieren, um neue Techniken zu üben. Was ich sehr gerne mag ist, mir in einer Meditation die Boulderroute vorzustellen, die ich gerade projektiere. Ich versuche mir ganz genau vorzustellen, wie sie aussieht und wie ich mich bewege. Das ist sehr beruhigend, weil man sich stark auf seinen Körper fokussiert und weil ich dann gedanklich bei einer Sache bin, die ich wirklich gerne mag.
Meditation ist eine spirituelle Praktik und ich glaube sie hat ein gewisses Image, das viele Menschen davon abhält, es auszuprobieren. Aber an sich geht es nur darum, dass der Mensch in der modernen Welt den Kontakt zum eigenen Körper verloren hat. Den kann man mit Meditation wieder herstellen. Ich glaube, dass jeder seine ganz eigene Art zu meditieren finden kann und, dass es für jeden Menschen sehr wertvoll sein kann. Wenn du ein offenes Ohr für diese Themen hast, dann kann ich dir sehr empfehlen den Podcast von Laura Malina Seiler zu hören oder die 7mind App zu probieren. Die haben mich durch die Monate der “Selbstfindung“ begleitet.
Wie mir das Bouldern geholfen hat
Ich hatte im Sommer 2017 eine spannende Begegnung mit einem Bekannten aus meiner Familie, einem Osteopathen. Er hat mich untersucht und meinte, mein Problem könne auch mit meiner Wirbelsäule zusammen hängen. Er gab mir den Tipp, dass ich bei Anzeichen von Spannungskopfschmerzen mal versuchen solle, mich zu bewegen. Ich habe diesen Tipp angenommen und als ich das nächste Mal Spannungskopfschmerzen hatte, ging ich bouldern. Dieser Tag hat mir die Augen geöffnet. Ich ging mit Schmerzen in die Halle und kam ohne wieder raus. Meine Faszination fürs Bouldern wurde seitdem noch größer.
In all den Wochen, in denen es mir so schlecht ging, hatte ich gar keinen Sport gemacht. Möglicherweise hat der Mangel an Bewegung meinen Zustand mit verschlimmert.
Ich bat meine Ärztin, dass sie mir Sport-Therapie verschreibt. Ich wollte wissen, was ich konkret tun kann, welche Übungen ich machen kann, um mir selbst zu helfen. In der Physiotherapie habe ich ein Set an Übungen gelernt und seitdem fange ich jeden Tag mit Sport an. Ich stehe auf, trinke ein Glas Wasser, bereite mein Müsli vor – und während es einweicht, mache ich eine halbe Stunde Sport. Außerdem gehe ich seitdem noch viel mehr Bouldern.
Neue Routinen und Veränderungen in meinem Leben
Nicht nur meine morgendliche Routine war eine Maßnahme, die dazu geführt hat, dass es mir besser geht. Ich habe auch gelernt, dass Migräne-Patienten einen festen Schlafrhythmus brauchen. Zu wenig Schlaf ist schlecht – aber auch zu viel Schlaf! Am Wochenende mal 2-3 Stunden länger im Bett bleiben fällt bei mir aus. Ich versuche immer zur selben Zeit schlafen zu gehen und aufzustehen, in der Woche wie auch am Wochenende. Außerdem erinnere ich mich daran, regelmäßig Wasser zu trinken.
Das Thema Essen und Trinken – auch hier gibt es Veränderungen. Ich habe aufgehört Alkohol zu trinken, denn der hat zu oft Kopfschmerzen oder Migräne bei mir ausgelöst. Ich esse außerdem keinen Zucker mehr. Ich bin immer relativ schnell unterzuckert gewesen und in dem Zustand war ich sehr gereizt und gestresst. Das habe ich in den Griff bekommen, indem ich komplett auf Zucker verzichte. Ich bin da ziemlich genau und schaue immer nach, was in welchen Lebensmitteln enthalten ist. Man könnte meinen, dass ich etwas übertreibe, aber es geht mir einfach richtig gut, seit ich keinen Zucker mehr esse. Diesen Zustand finde ich so toll, dass ich es eben sehr genau nehme. Ich esse Obst – aber keinen Industriezucker, keinen Honig oder Sirup.
Meine Verhaltenstherapie
Meditation, Sport, ausreichend Schlaf und gesunde Ernährung – diese Dinge führen dazu, dass es mir sehr gut geht. Allerdings war das noch nicht alles. Ich habe angefangen eine Verhaltenstherapie zu machen.
In der Therapie habe ich gelernt, warum ich so bin wie ich bin. Wo dieser Leistungsdruck herkommt, den ich mir selbst auferlegt habe. Von außen gesehen war oder bin ich ein Mensch, der viel leistet, der sehr kreativ ist und schöne Dinge erschafft. Ich habe zum Beispiel immer viel Musik gemacht und in meiner Jugend Songs geschrieben. Meine Freunde fanden das toll und ich wollte natürlich auch toll gefunden werden. Im Falle der Musik hat das dazu geführt, dass Musikmachen für mich zu einem Stress-Thema wurde. Ich muss abliefern. Ich muss gut sein, damit mich Menschen mögen. Beziehungsweise: Die Menschen mögen mich nur, wenn ich tolle Dinge erschaffe.
Ich hatte nie das Gefühl, dass das, was ich leiste ausreicht oder dass ich “einfach nur“ als Mensch wertvoll bin. Ich hatte nie das Gefühl “fertig” zu sein. Ich konnte nicht “Nein” sagen, wenn mich jemand um etwas gebeten hatte, weil ich niemanden enttäuschen wollte. Ich komme aus einer echt tollen Familie. Meine Eltern haben mich nie unter Druck gesetzt und mich bei allem unterstützt. Ich hatte keine Ahnung, warum ich mir selbst überhaupt diesen Stress mache.
Mit meiner Therapeutin habe ich letztendlich herausgefunden, wo das bei mir herkommt und das hat mir sehr geholfen (Ich möchte allerdings in diesem Text nicht im Detail darauf eingehen). Ich erinnere mich noch genau an den Tag, an dem es “Klick” gemacht hat. Ich hatte eine sehr erfolgreiche Bouldersession hinter mir, ging etwas leckeres Essen und während ich beim Essen saß, kamen mir Gedanken. Gedanken darüber, was gut ist in meinem Leben. Ich fing an meine “Liste der guten Gedanken” zu schreiben. Als ich aus dem Restaurant raus ging, war ich unglaublich glücklich. Es war ein mieser grauer Regentag in Berlin. Kein Tag, an dem du einfach mal so mit einem Lächeln durch die Stadt läufst. Aber ich war verdammt glücklich. Ich dachte: “Mein Leben gehört mir! Und ich bin gut, so wie ich bin.” Ich konnte den Satz “Ich bin gut” zum ersten Mal in meinem Leben zu mir sagen. Das war ein unglaublicher Durchbruch.
Meine Liste der guten Gedanken wurde von da an ein wichtiger Begleiter. Immer, wenn ich wieder drohte abzurutschen, nahm ich die Liste raus und las sie mir durch. Es war wichtig, dass ich mir die guten Dinge immer wieder vor Augen führte. Eine Erkenntnis, die dort steht ist: “Halte die guten Dinge fest”.
Du kennst das sicher, dass dich negative Gedanken – zum Beispiel wenn du einen Fehler machst – extrem lange beschäftigen und fertig machen können. Warum beschäftigen wir uns nicht genau so lange und genau so intensiv mit den positiven Gedanken? Warum erinnern wir uns am Ende des Tages nur daran, was schlecht lief und nicht an das, was richtig gut war? Wir sind absurderweise Magneten für negative Gedanken. Mit meiner Liste der guten Gedanken hatte ich eine Geheimwaffe dagegen entwickelt.
Ich hatte so lange eine Aversion gegen Ratschläge meiner Mitmenschen und gehen Psychotherapeuten. Heute denke ich: Niemand von uns kommt heile durchs Leben. Jeder hat ein Thema, bei dem es sich lohnt mal genauer hinzuschauen. Jeder entwickelt in seinem Leben Verhaltensmuster, die er mal hinterfragen könnte. Jeder leidet unter etwas, das aber nicht sein müsste. Jeder von uns braucht an irgendeinem Punkt in seinem Leben Hilfe – und das ist absolut ok!
Es war ein langer Weg – und ich gehe den Weg noch immer
Drei Monate lang hatte ich fast jeden Tag Schmerzen. Danach waren diese Schmerzen natürlich nicht weg. Es war ein sehr langsamer Prozess. Die Abstände zwischen den Migräne-Attacken wurden länger. Die Attacken waren mit der Zeit weniger intensiv. Es war ein ganzes Stück Arbeit und ich freue mich am meisten, wenn ich sehe, wie wenig Medikamente ich heute nehme. Das kann ich in meinem Schmerztagebuch lesen.
Ich habe immer noch Spannungskopfschmerzen und zum Glück sehr selten Migräne-Attacken. Ich kenne inzwischen die Spannungskopfschmerz-Vorboten meines Körpers – und ich setze schon sehr früh an, etwas dagegen zu tun. Ich nehme nur dann eine Tablette, wenn alles andere nicht hilft. Manchmal hilft mir Meditation. Manchmal hilft mir Bouldern bzw. Sport. Manchmal hilft mir etwas Pfefferminzöl auf den Schläfen. Manchmal hilft mir Zitronenwasser. Ich probiere alles aus und bin immer wieder erstaunt, wenn es klappt.
Auch wenn es mir schwer fällt, mich an die schlimme Zeit im Jahr 2017 zu erinnern – zugleich ist es auch eine gute Erinnerung. Es zeigt mir, dass ich sehr stark sein kann. Wenn ich vor einer schweren Aufgabe stehe, denke ich: Ich habe schon ganz andere Dinge geschafft! Mein Körper und diese Schmerzen sind eine wichtige Entscheidungshilfe für mich geworden. Die Migräne ist wie ein Alarmsignal, dass mir etwas in meinem Leben nicht gut tut und dass ich es lassen sollte. Im Gegensatz dazu registriere ich eben auch sehr deutlich, welche Dinge mir gut tun, so wie das Bouldern.
Ich habe seit 2017 ein paar Entscheidungen in meinem Leben getroffen, die für andere vielleicht krass oder mutig wirken. Für mich geht es da nicht um Mut. Ich weiß vor allem, dass ich nie wieder da sein will, wo ich im Mai 2017 war. Mit diesem Grundgedanken treffe ich Entscheidungen. Ich will nicht mehr Dinge tun, nur um anderen Menschen zu gefallen. Mein Leben ist mir zu schade dafür. Ich mache Dinge, die ICH toll finde und die mich glücklich machen. Zum Beispiel den BIN WEG BOULDERN-Podcast – den dann zufälligerweise auch noch andere Menschen gerne hören. Welch ein Glück!
Ich bin in all dem noch nicht perfekt. Meine Migräne ist nicht „weg“. Auch heute arbeite ich verdammt viel, vor allem am Podcast. Ich übertrete oft meine Grenzen. Aber ich habe so viel gelernt und kann die Dinge inzwischen besser einschätzen. Es kommen immer wieder neue Erkenntnisse dazu und das ist mega spannend.
Wenn du also auch diese Signale von deinem Körper bekommst. Du hast Migräne oder andere Schmerzen und weißt nicht, was du tun sollst? Das Wichtigste ist, dass du los gehst und dir Hilfe suchst. Du wirst nicht alle Dinge auf einmal anpacken können. Es wird nicht von heute auf morgen besser. Aber du kannst es schaffen etwas zu ändern und deine Lebensqualität verbessern. Die Auslöser für Migräne sind vielfältig und können bei dir ganz andere sein als bei mir. Also hol dir Hilfe. Das ist kein Zeichen von Schwäche, es ist das Stärkste, was du für dich tun kannst!
Aus meiner “Liste der Guten Gedanken”:
- Mein Wohlbefinden ist nicht von anderen Menschen abhängig.
- Nichts ist, alles wird. Dinge, die ich noch nicht kann, sind nicht dramatisch, ich kann sie lernen.
- Halte die guten Dinge fest.
- Pausen ermöglichen mir Wachstum und Weiterentwicklung.
- Ich bin gut.
- Ich wähle, glücklich zu sein.