Inklusiver Routenbau

Ein Gespräch mit Dr. Claudia Kern und Julius Kerscher

Sportwissenschaftlerin Claudia Kern und Routesetter Julius Kerscher erklären in dieser Podcastfolge, wie inklusiver Routenbau gestaltet werden kann. Das Foto ist aus der Klettertherapiegruppe, die Claudia Kern betreut. Fotocredit: Thorsten Näser
Sportwissenschaftlerin Dr. Claudia Kern und Routesetter Julius Kerscher erklären in dieser Podcastfolge, wie inklusiver Routenbau gestaltet werden kann. Das Foto ist aus der Klettertherapiegruppe, die Claudia Kern betreut. Fotocredit: Thorsten Näser

Der Routenbau in unseren Kletter- und Boulderhallen hat optimalerweise das Ziel, Erlebnisse für alle Menschen zu schaffen. Für Menschen mit Behinderungen oder bestimmten Krankheiten ist der Zugang oftmals trotzdem schwer. Das ist sehr schade, weil sie von dem Sport profitieren könnten.

Die Sportwissenschaftlerin Dr. Claudia Kern (TU München) und der Routesetter Julius Kerscher (DAV Bundeslehrteam Routenbau Breitensport) haben sich genauer mit der Frage beschäftigt, wie man Routenbau inklusiver gestalten kann. Sie haben dabei eine spezielle Kletterwand genutzt, an der Menschen mit Behinderung quasi selbst zu Routesettern wurden. So konnten Claudia und Julius besser verstehen, welche Bewegungen und welches Material hier gefragt sind.

Im Podcast sprechen wir darüber, auf welchem Stand unsere Hallen in Punkto Inklusion sind, was ihre Erkenntnisse zur Gestaltung inklusiver Routen sind und welche Tipps sie für Routesetter und Hallen haben.

Titelbild Credit: Thorsten Näser

Inklusiver Routenbau – Auszüge aus dem Interview

Julius Kerscher erklärt, was inklusiver Routenbau ist: „Das ist eine ganz grundsätzliche Zielsetzung. Wir wollen möglichst vielen Menschen dieses Erlebnis verschaffen: Ich bin da hochgeklettert! Es ist das, was jeder [in der Kletterhalle] erwartet, ohne dass irgendwie ein Schild an ihm dranhängt: „Hey, ich bin der und der, ich habe das.”“

Warum ist inklusiver Routenbau wichtig? Claudia Kern sieht, was das Klettern ihren Patienten bringen kann: „Im Bereich Multiple Sklerose haben wir viele Veränderungen auf der motorischen Ebene, z.B. dass die Leute stabiler stehen können. Sie können sich beim Duschen wieder normal waschen. Was mich fasziniert ist auch der psychosoziale Bereich. Die Menschen kommen in die Halle und tragen ihre Behinderung mit sich. Dann fangen sie an, über das Klettern zu reden. Sie fachsimpeln über andere Dinge, als über die chronische Erkrankung. Das trägt dazu bei, dass eine andere Lebensqualität, eine Normalität entsteht.“

Julius Kerscher über die Verbreitung von inklusivem Routenbau in unseren Hallen: „Grund für die [mangelnde Inklusion im Routenbau] ist oft nicht der fehlende Wille an der Umsetzung. Wir setzen eben das um, was die Peergroup will oder die, die es am deutlichsten äußern. Deswegen hoffe ich, dass klarer wird, dass da Leute sind, die [inklusiven Routenbau] gerne wollen! Über das, was wir mit inklusivem Routenbau meinen, freuen sich erstaunlich viele verschiedene Menschen. Weil es Touren sind, wo man sich super aufwärmen kann, ohne sich gleich total krass zu belasten. Wo man Leuten, die neu im Sport sind, tolles Erstkontakt-Gelände zur Verfügung stellen kann.“

Claudia Kern gibt Beispiele, wie Routenbau inklusiver werden kann: „Was sehr einfach zu realisieren ist und fast überall ein Problem darstellt, ist der Einstieg in eine Route. Meistens startet man mit dem Fuß relativ weit oben. Das ist für viele Menschen mit Fußheberschwäche oder Beinheberschwäche einfach nicht realisierbar. Oder auch bei einer Spastik oder wenn ich aus dem Rollstuhl starte. Es wird zugänglich, wenn ich unten in der ersten Ebene Tritte habe, die gut zu treten sind, sodass ich eine stabile Ausgangslage habe.“

Julius Kerscher erklärt, wo man im Routenbau umdenken muss, um inklusiver zu sein: „Bei vielen Routensetzenden ist die Überzeugung drin, dass man eine zwingende Beta kreieren muss. Dieses Denken muss man komplett durchbrechen. Wir bauen da weniger eine zwingende Choreografie, als eine Bühne, die möglichst zugänglich sein soll. Es ist immer wieder erstaunlich, dass wir in unserer Peergroup Feedbacks bekommen wie: „Na ja, ich habe den Boulder gemacht, ich hab den Tritt gar nicht gebraucht.“ Dieses Feedback-Prozedere, die Art und Weise, wie wir Routenbau lernen, darin ist es noch nicht so verankert, dass es auch einen sehr guten, wertvollen Routenbau gibt, der nicht zwingend ist.“

Shownotes

Claudia Kern an der TU München

Julius Kerscher bei Instagram

Präsentation vom Vortrag “Inklusiver Routenbau” von Claudia Kern und Julius Kerscher bei der Halls and Walls 2023

Zur Instagramseite von “Clift” – der Kletterwand mit der Julius und Claudia für ihr Projekt gearbeitet haben

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